Weickenmeier, Kunz + Partner

Kolping-Berufsfachschule

München

2007
Xaver Riebel Bau München GmbH

Leistungsphase 1 – 9

Neubau einer Berufsfachschule
Bildung

Aus der Rede zum Richtfest Kolping Berufsfachschule 2.2.06

„Der gestrigen Süddeutschen Zeitung entnahm ich folgende Kurznotiz:

„Rathausgrüne und CSU wollen, dass die Münchner Schüler auch auf den Pausenhöfen deutsch sprechen. Die Grünen fordern das Schulreferat auf, ein Konzept für Vereinbarungen zwischen Lehrern, Schülern und Eltern zu entwickeln, die als sinnvoll und richtige Maßnahme Deutsch als Umgangssprache an den Schulen festschreiben.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich verstehe diese Notiz zielgerichtet auf das Bemühen um mehr Verständnis der Schüler untereinander, um ein besseres Verstehen aber auch unter Einbezug von Lehrern und Eltern.

Ziel ist offensichtlich, die vielfach gegebene, nahezu babylonische Sprachverwirrung durch eine neue, vorsätzliche Konvention, d.h. Vereinbarung der deutschen Sprache zu reduzieren, wenn nicht gar völlig zu eliminieren.

„In der Sprache erst wird sich der Geist denkend und erkennend der Dinge, Zusammenhänge und seiner selbst klar.“ Alois Halder Das Thema Sprache und Verständigung ist eines der zentralen Themen der heutigen Zeit und besteht nicht nur abstrakt im gesellschaftlichen Kontext, sondern ist ebenso eng mit Themenkreisen wie Erziehung und Architektur verbunden.

Ich freue mich sehr, dass wir heute Richtfest feiern können vor einem und in einem Gebäudekonstrukt, das bei der Grundsteinlegung am 12.07.05 noch ausdrücklich der Sprache bedurfte, um als Idee des Investors und Architekten visualisiert werden zu können.

Über Sprache galt es zu vermitteln, sowohl auf Seiten des Nutzers wie des Investors, wie die Natur des zukünftigen Gebäudes beschaffen sein sollte.

Dabei stellte sich von Anfang an heraus, was Alois Halder, der große Sprachphilosoph hierzu bemerkte:

Nur je in einem gemeinsamen, durch geschichtliche, bildungsmäßige usw. Herkunft übermittelten Verstehenshorizont u. nur aufgrund einer bestimmten, freilich nie eindeutigen Bindung der Wortgestalt an ihren Sinn ist die tatsächliche Verständigung der Menschen innerhalb dieser Grenzen möglich.

Erst durch den Hinweischarakter der Situation wird die Zweideutigkeit der Worte gemindert, nie aber prinzipiell überwunden. Wegen der Begrenztheit der Verstehenshorizonte u. der Zweideutigkeit der Worte aber ist es auch möglich, in „derselben“ Sprache mit „denselben“ Worten aneinander „vorbeizureden“ und sich mißzuverstehen. So ermöglicht die Sprache die Verwirklichung der Gemeinschaft und hemmt sie zugleich.

Und hier sind wir wieder bei dem eingangs benannten Thema von Sprache und Verständigung.

Im kritischen Rückblick des Architekten – den Sie mir heute bitte an dieser Stelle erlauben, - hatten auch wir, d.h. alle an der Entwicklung und Realisierung des Bauvorhabens Beteiligten z. T. nicht kleine Probleme in der Verständigung.

Und doch bin ich davon überzeugt, dass wir alle letztlich verstanden haben, worum es bei dieser so besonderen Aufgabe geht: nämlich einen Raum zu schaffen für Erziehung:

„Erziehung steht unter dem höchsten Anspruch, das Selbstsein des Menschen ermöglichen zu helfen“, so Karl Jaspers.

In diesem Sinne beinhaltet das, was Sie heute sehen und sicher auch noch sehen werden einen Rahmen, innerhalb dessen sich diese Erziehung und Selbsterprobung /Selbstfindung abspielen soll und sie sehen die keimende Frucht einer Auseinandersetzung, in der wir alle nur das Beste für das Projekt gewollt haben und jeweils mehr oder weniger auch durchsetzen konnten.

Es ist insoweit keine reine Architektur, wie Sie der Architekt vielleicht im Grundentwurf disponierte, es ist eine auf die verschiedensten Einflußfaktoren bezogene und von diesen geprägte Architektur..

Es ist insoweit eine komplexe Welt, die sich hier im Rohbau konkretisiert - wobei das Wort konkret, abgeleitet aus dem lateinischen „concretum“ auf das Material Beton in sprachlich sehr sinnlicher Weise auf verweist.

Es bedarf aus meiner Sicht keiner weiteren Worte der Erläuterung, ich denke, das Gebäude erschließt sich aus sich selbst und verdeutlicht jene Komplexität, die in ihm angelegt ist mit

reinen Klassenräumen, Werkstätten unterschiedlicher Ausrichtung für die verschiedensten Berufe, Aula, Aufenthalts- und Erschließungsflächen, Flächen für die Rekreation in Sport und Freizeit.

Es ist ein vielschichtiges Gebäude geworden, dessen Komplexität nicht nur aus der Bauaufgabe resultiert, sondern eben auch aus dem vorgenannten Verständigungsprozeß, der nicht immer einfach war.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist der Wunsch des Architekten an dieser Stelle, dass durch dieses gemeinsame Bemühen zunächst baulich, dann aber auch in der täglichen Aneignung ab dem Herbst diesen Jahres ein qualifizierter Ort gegeben sein wird für Schüler und Lehrer.

„Erziehung macht vertraut mit den Verkehrsformen, mit Sitte und Brauchtum, mit Spielregeln und Gesetzen. Sie verknüpft den Willen zur Anpassung mit dem Mut zum Widerstand.“

„Erziehung ermöglicht ein kritisches Denken, das gewandt und sicher Methoden handhabt und ein sachliches Handeln leitet. Sie schärft das Unterscheidungsvermögen und ertüchtigt zu jener Objektivität, die die persönliche Beteiligtheit nicht auslöscht. Und Erziehung erschöpft sich nicht in der Befähigung zur Rationalität.“ Karl Jasper“

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